Mit dem Camper durch Friaul-Julisch Venetien: Geheimtipp zwischen Adria und Alpen

11 min Lesedauer

Der Nordosten Italiens ist für viele Camper noch ein weißer Fleck auf der Urlaubslandkarte. Viele fahren auf dem Weg nach Kroatien oder Slowenien durch Friaul-Julisch Venetien einfach hindurch. Eigentlich schade – denn es lohnt sich, die Region zwischen Venetien, den Dolomiten und Istrien zu erkunden! Vor allem Outdoor-Fans, Aktive, Familien und Genießer werden in Friaul und Julisch Venetien einen unvergesslichen Urlaub erleben und es liegt gerade einmal fünf Autostunden von München entfernt.

Inhaltsverzeichnis

Wir wollten mehr wissen und gingen auf eine Wohnmobilreise. Die hatte der Caravansalon Düsseldorf, der Caravaning Industrie Verband e.V. und das regionale Tourismusbüro von Friaul-Julisch Venetien organisiert. In der Region findet ihr vielfältige Campingplätze für jeden Geschmack und die zunehmend beliebten Agricampeggi. Dort steht ihr mit eurem Reisemobil direkt beim Bauern oder Winzer!

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Das müsst ihr über Friaul-Julisch Venetien wissen

Die Region Friuli Venezia Giulia erstreckt sich von den südlichen Dolomiten über malerisches Voralpen- und Flussland bis an die Adriastrände und zur Kulturstadt Triest. In Friaul-Julisch Venetien entdeckt ihr eine faszinierend vielfältige Landschaft, unverfälschte Natur, jahrtausendalte Kultur, besondere Weine und Spezialitäten. Friaul-Julisch Venetien ist so reich an Urlaubsreizen, weil die Landschaften einzigartig sind und die Region von vielen geprägt wurde. Ob Römern, Balkanvölker, Habsburger und auch Venezianern sowie weiteren Kulturen des Adriaraums – sie alle schätzten Friuli Venezia Giulia.

Paradies für Aktivurlauber

Fahrradfahrer und Mountainbiker freuen sich auf fast 6.000 Kilometer Radwege in Friaul-Julisch Venetien. Wanderer entdecken den Fernwanderweg Alpe Adria Trail, Klettersteige oder entspannte Routen durch Weinberge oder malerisches Hügelland. Wasserfans rauschen beim Rafting den wilden Tagliamento hinab oder genießen eine romantische Kanutour auf den Lagunen. Auf der Adria können sie segeln, wind- und kitesurfen. Und im Winter? Dann locken die Skigebiete in den südlichen Dolomiten Alpinskifahrer, Snowboarder oder Langläufer.

Kulturfreunde staunen über Meisterwerke der Römer, bedeutende Kirchen, antike Mosaikkunst und romantische Altstädte. Die sind, wie Udine, Valvasone oder Gorizia, noch nicht vom Tourismus überlaufen. Gorizia ist 2025, gemeinsam mit der slowenischen Nachbarstadt Nova Gorica, europäische Kulturhauptstadt.

Weltoffene Lebensart im Herzen Europas

Zudem erinnern in der Region zahlreiche Festungen, Mahnmale, historische Brücken und Museen an die Geschehnisse im „Großen Krieg“, wie der Erste Weltkrieg hier genannt wird. Heute ist die einst furchtbar umkämpfte Region ein Musterbeispiel für friedliches Zusammenleben in Europa – mit einer ebenso weltoffenen wie heimatverbundenen und gelassenen Lebensart.

Gutes Essen und Trinken gehört natürlich überall in der Friuli Venezia Giulia zu einem gelungenen Campingurlaub: Autochthone Weine, Dutzende Käsesorten, der weltberühmte San Daniele Schinken und eine ganz eigene Kochkultur, von bodenständig bis elegant, lassen das Genießerherz höherschlagen.

Gutes Essen und Trinken gehört in Norditalien zum Campingurlaub dazu. Bild: Klaus Schneider



Camping am See vor schöner Bergkulisse

Unsere Tour durch Friaul führte uns zunächst in ein Wander- und Mountainbiker-Paradies an einem kleinen Bergsee. Der Campingplatz Lago 3 Comune ist ein kleiner, wunderschön gelegener Campingplatz mit eigenem Badestrand, Bistro und Caféterrasse. Auf einem der knapp 45 rasenbewachsenen Stellplätze fand unser Reisemobil viel Platz. Wer ohne Campingfahrzeug kommt, kann eines der acht gemütlichen Pods buchen. Die sind mit viel Holz gestaltet und teils sogar mit eigenem Badezimmer ausgestattet.

Campingtipp: Lago 3 Comune

Großer Genuss: bei den Grill- und Wermutmeistern

Am  Abend ging es zu ErmesBotanica, einem traditionsreichen Weingut und Genussbetrieb im Friaul. Hier staunten wir nicht nur über das traditionelle Gutshaus, dessen Räume im modernsten italienischen Design eingerichtet sind. Die überaus charmanten Betreiber empfingen uns draußen, im rustikal-gemütlichen Vorbau, mit einem Barbecue, das es in sich hatte. Sie bereiteten leckere Rippchen über offenem Feuer zu. Auf der großen gußeisernen Platte drumherum garte auch Frico Friulano – früher ein „Arme-Leute-Essen“, heute die Spezialität des Friauls. Der herzhafte Frico wird aus Kartoffeln und Montasio-Bergkäse zubereitet, teils auch mit Zwiebeln verfeinert. Frico gibt es überall in Friaul – unbedingt probieren!

Wer von uns keinen Camper mehr fahren musste, wurde bei ErmesBotanica zudem mit Weinen von nur hier wachsenden Rebsorten sowie mit dem legendären Wermut verwöhnt. Dessen Herstellung aus heimischen Weinen und hiesigen Bergkräutern ist ein Geheimnis. „Il Vermut“ gibt es in drei Sorten, weiß, schwarz und mit Cannabis… Mehr Informationen und den Online-Shop von ErmesBotanica findet ihr hier (die exklusiven Grill-Events gibt es nur für Gruppen, bitte dort anfragen).

Brücke über den Tagliamento bei Pinzano. Bild: Klaus Schneider

Nasser Spaß: Rafting auf dem Tagliamento

Entdeckt die Kraft des Wasser bei einer Einsteiger-Rafting Tour auf dem Tagliamento. Er gilt als letzter großer, wilder Fluss Italiens. Seine Ufer sind kaum bebaut oder befestigt. Wie vor Jahrtausenden bahnt er sich seinen Weg von den Bergen ins Meer. Dabei verändert der Tagliamento in dem breiten, weiß strahlenden Kieselbett ständig seine Gestalt. Die starke Strömung bildet verschiedene Verästelungen.

Zusammen mit einem erfahrenen Guide rauscht ihr auf dem Hauptarm durch das türkisfarbene, sehr saubere Wasser. Die Ausrüstung wird gestellt. Paddelerfahrung braucht ihr nicht, das lernt ihr schnell. Erlebt die Magie des Flusses und der umliegenden Waldnatur. Zum Rafting gehören auch Nasswerden und ganz viel Spaß. Mehr Informationen findet ihr hier.

Ganz oben: Gleitschirme und Geier

In Gemona di Friuli sind Gleitschirm-Tandemflüge möglich. Mit einem erfahrenen Piloten könnt ihr adlergleich über die Alpen schweben. Der Ausblick auf die spitz aufragenden Dolomiten, auf Almen, Flüsse und Bergwälder ist einmalig.

Manchmal ziehen „Kollegen“, die die warmen Aufwinde ebenso schätzen, in der Nähe ihre Kreise: Die Gänsegeier der Geierstation am Cornino-See sind häufig am Himmel zu sehen und von Berg und Tal aus leicht zu erkennen. Sie haben einen weißen Kopf und zählen mit rund zweieinhalb Metern Flügelspannweite zu den größten Vögeln der Alpen.

Leckere Tradition: Schinkenmanufaktur in San Daniele

Bis zu 18 Monate muss er reifen, der legendäre Schinken aus San Daniele al Tagliamento. So lange müsst ihr aber nicht warten, um das milde Aroma zu genießen: Im Bistro der Prosciuttificio Artigianale Bagatto schafft ihr leicht einen ganzen Teller. Bei einer Führung durch die in dritter Generation betriebene Manufaktur erfahrt ihr mehr über die Geheimnisse des San Daniele Schinkens. Verarbeitet werden nur ausgewählte Schweinekeulen. Die werden von erfahrenen Schinkenmachern mit Salz eingerieben und reifen dann über ein Jahr lang. Die Experten kontrollieren ständig die Qualität, unter anderem mit einer traditionellen Geruchsmethode.

Woran ihr einen San Daniele Schinken erkennt? An der geschützten Herkunftsbezeichnung und natürlich an den feinen Aromen. Er schmeckte für uns weniger salzig als viele deutsche Schinkensorten und vielleicht sogar milder als Parma-Schinken. Und wenn ihr einen ganzen Schinken kauft, erkennt ihr Prosciutto di San Daniele auch daran, dass der Schweinefuß dranbleibt (bei Parma-Schinken wird er abgeschnitten). Mehr zur Schinkenmanufaktur und Führungen gibt es auf der deutschsprachigen Webseite von Familie Bagatto.

Auf dem Weingut von Pitars. Bild: Klaus Schneider

Gute Tropfen: Weingut Pitars

Das Weingut Pitars in San Martino al Tagliamento empfing uns in seinem Weinschloss. Das ist ein nach baubiologischen Kriterien erbautes, spektakuläres Gebäude. Unter den urigen Holzbalken im geräumigen Obergeschoss können Besucher sogar heiraten – oder die Aussicht auf die umliegenden Weinreben genießen.

Ob Chardonnnay, Pinot Grigio, Merlot, die autochthonen Friulano oder Ribolla Gialla sowie weitere Rebsorten – Auswahl, Qualität und Geschmack lassen staunen. Wir staunten auch über die Führung durch den Weinkeller, in dem die edlen Weiß- und Rotweine von Pitars in Eichenfässern reifen.



Camping auf dem Bauernhof: Gelindo dei Magredi

Weiter ging es mit dem Camper zum großen Bauern- und Reiterhof Gelindo die Magredi. Unter Schatten spendenden Weinranken stellten wir unser Reisemobil auf einem großen Wiesenstellplatz ab. Hier sind auch Camper mit dem eigenen Pferd willkommen. Der große Hof bietet Einstellmöglichkeiten, Reitplatz und Reithalle.

Kein eigenes Pferd dabei? Das macht nichts, Reitstunden auf Schulpferden sind möglich. Wer nicht reitet, entspannt sich am Pool, genießt hausgemachte Spezialitäten oder nimmt am Familienerlebnis Landwirtschaft teil. Nicht nur Kinderaugen strahlen, wenn sie beim Versorgen der vielen Bauernhoftiere helfen oder ein Lämmchen auf den Arm nehmen und füttern können.

Campingtipp: Agriturismo Gelindo dei Magredi

Schloss mit Theater: Castello di Valvasone

Das Zentrum der beschaulichen Altstadt von Valvasone ist das Wohnschloss, das auf den Überresten einer Burg erbaut wurde. Der markante Wassergraben, der durch den nahen Fluss Tagliamento gespeist wurde, schützte das Anwesen vor Angreifern. Im Inneren der Burg bestaunen Besucher kunstvolle Deckenmalereien und Wandfresken. Sie zeigen zum Beispiel einen Lebensbaum oder einen Geistlichen in Gestalt eines Esels. Der unterrichtet einen Wolf, der wohl den Schlossherren darstellen soll.

Die einstigen Schlossherren liebten zudem den großen Auftritt: Bei einer Führung erreicht ihr das für ein Schloss ungewöhnliche „Teatrino“ aus dem 18. Jahrhundert, mit Bühne, Parkett und Rang. Mehr zur Altstadt und dem Castello di Valvasone findet ihr auf der offiziellen Tourismusseite (auf Deutsch).

Kanufahrt auf der Lagune von Marano. Bild: Klaus Schneider



Weite Wasserwelt: Lagune von Marano

Von Alpengipfeln und Weinbergen zog es uns an die Weite der Adrialagunen. Bei Canoa Bilancia di Bepi warteten Kanadier-Kanus und Guides auf uns. Über sanfte Wasserläufe ging es zu einem historischen, streng geschützten Fischerdorf aus Reethäusern. Besonders faszinierend war die Fahrt hinaus auf das weite Blau der Lagune von Marano. Hier fühlen sich zahlreiche Arten von Wasser- und Zugvögeln wohl.

Die saubere Lagune ist auch für ihren Fischreichtum bekannt. Die Betreiber der Kanustation fangen den Fisch mit der traditionellen, für die nördliche Adria charakteristischen Bilancia-Methode. Ein an vier hohen Masten aufgespanntes Netz wird ins Wasser abgesenkt. In einer Art Reuse in der Netzmitte sammeln sich viele Fischarten. Nach einer Weile wird das Netz gehoben, um bis zu 10 Kilogramm verschiedener Fische zu fangen. Verschiedene Fische wurden für uns am Foodtruck der Kanustation fangfrisch zubereitet. Wir konnten sie als schonend frittiertes „Fingerfood“ direkt unter dem Schatten von Bäumen genießen.

Die Kanu- und Fischstation Bilancia di Bepia bietet Campern auch urige Stellplätze zwischen Bäumen. Wen es aus dieser Idylle in einen modernen, großen Badeort mit Angeboten für die ganze Familie zieht, fährt weiter ins nahe Strandbad Lignano Sabbiadoro.

Campingtipps: Camping Sabbiadoro oder Camping Village Pino Mare



Strand, Pool und Sonne: Camping Villaggio Turistico Europa

Nach so viel Action und Kultur freuten wir uns auf die letzte Campingplatz-Etappe unserer Campertour: Wir steuerten unsere Wohnmobile, die die Gastgeber bei Camper So.Im.Ex für uns gemietet hatten, zum letzten Ziel unserer Reise – zum Campingplatz Villaggio Turistico Europa in Grado. Der große Campingpark wurde als ADAC Superplatz ausgezeichnet und liegt direkt am feinsandigen Adriastrand. Kinder freuen sich auf die vielen bunten Spielplätze und die Mega-Wasserrutschen der Poolanlage.

Campingtipp: Camping Villaggio Turistico Europa

Inselstadt und Sommerfrische: Grado

Gut erholt vom Strand des Villaggio Turistico Europa, lockte uns das nächste Sightseeing-Ziel. Nur rund zehn Autominuten sind es vom Campingplatz über den Damm in die Inselstadt Grado, das einzige „sehr touristische“ Ziel unserer Reise. In den Fußgängerzonen der historischen Innenstadt können Besucher ausgiebig shoppen, Kunstgalerien besuchen oder in Straßencafés sehen und gesehen werden.

Grado bezaubert mit seinem hübschen, kleinen Yacht- und Fischerhafen, der imposanten Kirche der Heiligen Euphemia, Thermalbädern und Stränden. Einmalig war der Pool- und Panoramablick auf Grado, den wir beim Abendessen im Altogrado Restaurant genossen. Frisch oder ewig verliebte Pärchen küssen sich an der Adriapromenade in der „Zona Romantica“, mit Blick auf die Berge Istriens und das weite Meer! Noch ein guter Grund, den Partner bei der nächsten Reise mitzunehmen…

Romantische Abendstimmung am Hafen von Grado. Bild: Klaus Schneider

Alt und schön: Aquileias Forum Romanum und die Basilika

Zum Schluss dieser vielseitigen Reise erwartete uns noch einmal Hochkultur: Aquileia, heute UNESCO Weltkulturerbe, war einst die neuntgrößte Stadt des Römischen Reiches. In Aquileia entdecken Besucher die Säulenreihe des Forum Romanum, die römische Villa und die romanische Basilika. Sie beherbergt zahlreiche Mosaiken. Highlight ist das größte erhaltene Bodenmosaik Westeuropas, das mehr Fläche als ein Fußballfeld umfasst. Es entstand in der Zeit von Bischof Theodorus vor rund 1.700 Jahren!

Die beeindruckende Basilika von Aquileia. Bild: Klaus Schneider.

Wenn ihr die Mosaikdarstellungen von Tieren, Menschen, Salomonsknoten, geheimnisvollen Inschriften und mehr bestaunt, entdeckt ihr unter anderem die Jonalegende. Die antiken Mosaikkünstler waren kreativ. Sie schufen statt eines Wals ein an „Nessie“ erinnerndes Ungeheuer, das Jona verschluckte und wieder ausspie.

Besuchertipp: Bucht eure (namentlich ausgestellten) Eintrittskarten für Aquileia rechtzeitig vorab. Die Internetseite von Aquileia und ihren Ticketshop findet ihr hier.

Wir kommen wieder!

Das war’s! Aber es gibt noch so viel mehr in Friaul-Julisch Venetien zu entdecken und zu genießen. Voller neuer Eindrücke und überrascht von der vielseitigen Region, beschlossen wir, bald noch einmal hierher zu fahren.

Artikelbild: © turismofvg.it

Letzte Aktualisierung: 14/08/2024
Author: Klaus Schneider