„Wir leben von der Natur – und sie muss erhalten werden“
Finde deinen Traum-Campingplatz
Gäste: 2
Erwachsene
Kinder
Alter der Kinder bei Abreise:
Dr. Gunter Riechey leitet den mehrfach ausgezeichneten Campingpark Havelberge, einer der schönsten Campingplätze der Mecklenburgischen Seenplatte. Der 74-jährige Geschäftsführer ist mit der Campingbranche aufgewachsen – schon seine Eltern leiteten einen Campingplatz. Inzwischen ist auch die dritte Generation ins familiengeführten Unternehmen eingestiegen. Im Interview mit unserer Autorin spricht der Unternehmer und Präsident des Bundesverbandes der Campingwirtschaft in Deutschland (BVCD) über Trends und Entwicklungen der Campingbranche und erzählt, wie er Kraft in der Natur tankt.
Herr Dr. Riechey, Sie sind eigentlich Unternehmensberater. Wie kamen Sie dazu, einen Campingplatz zu leiten?
Dr. Riechey: Über einen Beratungsauftrag. Die damals insgesamt 14 Campingplätze der Haveltourist Gruppe sollten privatisiert werden. Mein Auftrag war es, einen Investor zu finden – der ließ sich aber nicht finden. Mein Bruder Volker Riechey und ich haben dann entschieden, die Campingplätze vom Zweckverband der Gemeinde Userin zu übernehmen. Fünf davon mussten wir aus Umweltgründen zurückbauen, neun konnten wir erhalten und ausbauen.
Und war das mehr Pflichtgefühl oder der Wunsch nach einem beruflichen Wandel?
Dr. Riechey: Beides. Als ich zum ersten Mal an die Mecklenburgischen Seenplatte kam, hatte ich mich sofort in die Landschaft verliebt. Es hat mich an meinen Aufenthalt in Kanada erinnert, als ich Student war. Auch meine Frau und meine Kinder waren von der Gegend hier begeistert. Es hat sie an frühere Urlaube in Südfrankreich erinnert. Es hat alles gestimmt. Außerdem dachte ich mir: Man kann Campingplätze nicht einfach so sich selbst überlassen. Man muss sie doch weiterentwickeln. Einige waren mitten im Wald, ohne Wasser und Strom. Viele haben mir damals gesagt: Das geht nicht, das rechnet sich nicht. Für meinen Bruder und mich war aber klar: Wir machen es trotzdem. Naturnahe Campingplätze wie diese gab es zu der Zeit in Deutschland noch nicht, ich kannte das nur aus Schweden. Aber dann sind wir eben die Ersten, dachten wir uns. Das war 1994.
Ihren Eltern gehörte der Camping- und Ferienpark Wulfener Hals, den heute Ihr Bruder Volker Riechey leitet. Sie sind mit der Branche aufgewachsen, oder?
Dr. Riechey: Ja. Zum Campen kam ich, als ich fünf Jahre alt war. Unsere Eltern waren fast jedes Jahr mit uns Kindern campen. Anfangs gab es nur das Zelt. Mein Vater hat das Zeltgerüst noch selbst zusammengeschweißt, meine Mutter hat die Zeltleinwand genäht. Irgendwann haben meine Eltern dieses Hobby zum Beruf gemacht und Ende der 1960er Jahre den Campingplatz Wulfener Hals auf der Ostseeinsel Fehmarn übernommen. Wir haben das als Kinder auch laufend begleitet. Mein Bruder ist dann im elterlichen Betrieb eingestiegen. Ich habe erst einmal meine eigene Sache gemacht, habe studiert, dann promoviert und war lange als Unternehmensberater tätig – auch für die Campingbranche. Heute sind mein Bruder und ich auch unternehmerisch eng verbunden. Wir führen zwar zwei eigenständige Betriebe, aber bestimmte Dinge wie etwa die Verwaltung und das Marketing laufen unter einem Dach.
Was waren die bedeutendsten Entwicklungen in der Campingbranche, die Sie miterlebt haben?
Dr. Riechey: Am markantesten war wohl die Entwicklung vom einfachen Campingplatz hin zu einem Ressort-Urlaub für Familien – diese Entwicklung hat maßgeblich mein Bruder angestoßen. Ich wollte auch, dass die Campingplätze der Haveltourist Gruppe ein breites Freizeitangebot für Urlaubsgäste bereithalten. Als einer der wenigen Campingplätze in Deutschland produzieren und kreieren wir mit einem eigenen Animationsteam unsere eigenen Shows. Unser Chef-Animateur Thomas Geier schreibt die Drehbücher, macht die Regie und stellt die Musik zusammen – wir haben die vollen Rechte daran. Regelmäßig führen wir auf dem Campingplatz zwei große Shows auf. Unsere Gäste sind begeistert. Nicht nur im Bereich Unterhaltung, auch in Sachen Komfort hat sich die Branche in den vergangenen Jahren stark verändert.
Haben Sie ein Beispiel?
Dr. Riechey: Campingplätze haben inzwischen Waschmaschinen und Trockner. Wir haben z.B. auch Geschirrspülmaschinen. Man muss nicht mehr selbst abwaschen, sondern nur noch Geschirr einräumen, Knopf drücken und innerhalb von fünf Minuten ist es fertig. Dadurch fällt aber auch ein wenig Kommunikation weg. Aber manchmal muss man auch warten, bis ein Geschirrspüler frei wird, sodass man sich doch noch dabei unterhalten kann – die Kommunikation findet ja traditionsgemäß beim Abwasch statt, vor allem unter Männern. Witzigerweise spülen ja die Männer im Campingurlaub ab, und nicht die Frauen. (lacht)
Stichwort Entwicklung: Lange hat man in der Branche gedacht, dass Zelt-Camping aussterben wird und es nur noch in Richtung Caravan geht. Wie sehen Sie das?
Dr. Riechey: Das hat sich so nicht bestätigt. Zwar ist der Wohnmobilbereich angestiegen – sehr beliebt bei Menschen 50plus, die zum ersten Mal diese Urlaubsform ausprobieren – aber gleichzeitig zelten auch mehr Menschen. Das sind vor allem junge Leute, die das Campen für sich entdeckt haben. Zelt-Campen ist heute viel komfortabler als früher. Man kann also sagen, dass das alte Klientel von früher wieder da ist. Auf Campingplätzen trifft sich sowieso Jung und Alt, und zwar aus allen Einkommensschichten – das ist ja das Schöne am Campingurlaub.
Und weil man draußen in der Natur sein kann. Die Initiative EcoCamping hat Ihren Campingplatz als nachhaltig zertifiziert.
Dr. Riechey: Camping-Unternehmer haben sich schon früh verantwortungsbewusst positioniert, denn wir leben von der Natur und sie muss erhalten werden. Die Initiative EcoCamping hat ein eigenes Zertifikat. Damit können Campingplatzbetreiber gezielt schauen, in welchen Bereichen sie noch umweltfreundlicher werden können. Klimaneutralität ist für die Campingbranche ein wichtiges Zukunftsthema.
Welche Rolle spielt die Natur in Ihrem Leben?
Dr. Riechey: Eine große. Als Kind war ich so oft es ging draußen in der Natur. Wenn ich nicht mit meinen Eltern campen war, habe ich Zeit mit den Pfadfindern verbracht. Dann sind wir mit Kote und Fahrrad los gefahren und haben im Wald übernachtet. Eine Kote ist eine bestimmte Zeltform, ähnlich wie ein Tipi. Jeder von uns hatte eine Plane auf dem Fahrrad oder im Rucksack und bei der Ankunft wurde sie zusammengeknüpft. Eine Kote ist so groß, dass man sogar drinnen ein Feuer machen kann. Und auch heute bin ich der Natur sehr verbunden. Ich lebe in einem kleinen Haus direkt am See, dort habe habe ich auch ein Kanu liegen. Und nur 200 Meter von meiner Haustür entfernt, beginnt der Müritzer Nationalpark. Außerdem laufe ich jeden Abend sechs Kilometer durch den Wald – ich habe jeden Tag Kontakt mit der Natur. Ich laufe im Sommer wie im Winter. Und in der kalten Jahreszeit sind die ersten Lebewesen, die mir morgens begegnen ein Wildschwein oder ein Waschbär.
Das klingt idyllisch – und auch sehr sportlich!
Dr. Riechey: Ich jogge seit ich 18 Jahre alt bin. Im Sommer schwimme ich morgens auch noch und fahre anschließend mit dem Rad zur Arbeit. Man kann sagen, ich habe schon einen Mini-Triathlon gemacht, noch bevor ich mit meiner Arbeit beginne. (lacht)
Jeden Tag im Wald zu sein, ist ja auch gut für die Gesundheit.
Dr. Riechey: Ja. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es bereits zwei Kurwälder, auch Heilwälder genannt. Dort wird die heilende Wirkung des Waldes für therapeutische Zwecke genutzt. Das möchten wir auch unseren Campinggästen in naher Zukunft anbieten. Die Natur hat sehr viel zu bieten. Unsere Gäste können z.B. mit dem Kanu von See zu See paddeln oder durch den Müritzer Nationalpark wandern – das macht die Region hier aus.
Und wie verbringen Sie Ihren eigenen Urlaub?
Dr. Riechey: Den Sommerurlaub verbinde ich mit einer Jahrestagung von Leading Campings. Das ist ein Zusammenschluss von derzeit 36 Spitzen-Campingplätzen in ganz Europa. Der Campingplatz Havelberge ist da dabei. In 2020 fand das Treffen nur digital statt, sonst treffen wir uns aber auf einem der Campingplätze, etwa in Kroatien, Spanien, Dänemark. In der Regel hänge ich noch 14 Tage an die Tagung dran und miete mir ein Mobilheim. Früher habe ich das zusammen mit meiner Frau gemacht. Seit sie aber vor vier Jahren verstorben ist, bin ich alleine unterwegs – das ist nicht so schön wie früher, aber das kann man sich eben nicht aussuchen. Die Winterurlaube sind aber immer ein großes Familientreffen. Da sind mein Sohn, mein Bruder und dessen Sohn und deren Familien dabei. Das ist inzwischen Tradition, die aber auch im letzten Jahr ausgefallen ist.
Sind Ihre Kinder auch im Unternehmen tätig?
Dr. Riechey: Ich habe zwei Söhne und beide haben Interesse, das Unternehmen weiterzuführen. Andre ist inzwischen schon Geschäftsführer. Er wird künftig noch stärker einsteigen, parallel nimmt er aber noch ein Studium auf. Mein zweiter Sohn, Malte Riechey, ist Rechtsanwalt und berät auch die Campingbranche. Er übernimmt im Auftrag des Bundesverbandes die juristische Erstberatung. Ich konnte ihn dafür gewinnen, dass er parallel zu seiner Anwaltstätigkeit bei uns im Unternehmen als Geschäftsführer einsteigt.
Und mussten Sie viel Überzeugungsarbeit leisten?
Dr. Riechey: Nein. Ich habe nie versucht, Druck aufzubauen. Und ich habe immer gesagt: Wenn ihr wollt, könnt ihr das machen, und wenn nicht, ist das auch gut. Beide haben sich in diese Richtung positioniert. Ich bin auch noch mit meinem Bruder unternehmerisch verbunden und wir kooperieren auch unternehmerisch im Familienkreis und tauschen uns regelmäßig aus. Die Pandemie hat das sogar noch beflügelt.
Inwiefern?
Dr. Riechey: Wir machen jede Woche ein Zoom Meeting. Ich denke, dass wir das nach Corona beibehalten werden. Diese digitale Form halte ich für perfekt. Auch auf Verbandsebene finden viele Treffen nur noch online statt – natürlich ist das nicht so schön, wie ein persönliches Treffen, aber man spart sich die Fahrzeiten. Ich denke, die Corona- Pandemie hat uns in neuere Zeiten geschmissen. Und das ist gut so. Es wird weiterhin wichtig sein, sich auch physisch zu treffen, aber vielleicht muss das nicht mehr für jedes Meeting sein.
Noch ein paar Worte zur Zukunft der Branche – welche Entwicklungen werden da auf uns zukommen?
Dr. Riechey: Mietunterkünfte werden immer beliebter – in Italien, Kroatien und den Niederlanden ist das schon Standard. In Deutschland hingegen haben wir noch, aufgrund der baurechtlichen Situation, Nachholbedarf. Das versuchen wir nun als Verband zu ändern. Auf Verbandsebene wird es künftig darum gehen, das Klassifizierungssystem weiterzuentwickeln. Unsere Aufgabe als Verband besteht darin, bestimmte Standards zu definieren und zu formulieren. Beispiel: Sanitärbereich. Wir denken darüber nach, die Standards für Duschkabinen zu verändern. Es geht darum, sie moderner zu gestalten, etwa indem ein Waschbecken mit integriert wird. Dadurch muss der Gast nicht aus der Duschkabine raus, um sich die Zähne zu putzen oder sich zu rasieren. Das ist als Standard noch nicht definiert, aber ich denke, dass es sich dahingehend entwickeln wird. Einige Campingplätze in Deutschland haben das ja schon.
Vielen Dank für das Gespräch!