Auf Zeitreise im Caravan – Vater-Tochter-Camping
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Gäste: 2
Erwachsene
Kinder
Alter der Kinder bei Abreise:
“Können wir helfen?“, fragen zwei Männer in Badehosen. Ohne zu zögern, stemmen sie ihre sonnengebräunten Oberkörper gegen unseren Wohnwagen. Gemeinsam bugsieren wir den Caravan in die strandnahe Parzelle. Camper sind noch genauso hilfsbereit wie vor 20 Jahren, als wir zum letzten Mal hier waren. Papa und ich werden auf dem Platz Kiko Park auch ebenso freundlich begrüßt wie damals: Pepe, der leicht ergraute Chef, nimmt uns in Empfang: „Ola, ¿qué tal? Schön, dass ihr da seid!“ Auch Maria, Pepes Tochter, und sein Neffe Toni umarmen uns herzlich. Wir plaudern gleich in einem Mix aus Deutsch, Englisch, Spanisch, und es scheint, als sei es erst gestern gewesen, dass wir uns hier im Kinderclub kennenlernten.
Viele Sommer haben wir auf dem Campingplatz in Oliva verbracht, rund 80 Kilometer südlich von Valencia. Viele schöne Erinnerungen und die Freundschaft mit Pepes Familie sind geblieben. Wir sind zu einem Fleckchen Heimat zurückgekehrt. Papa will sehen, was sich verändert hat, deshalb drehen wir eine Runde über den Platz. Entlang der gekiesten Wege reiht sich ein Reisemobil ans andere – selbst jetzt in der Nachsaison. In Ferienzeiten bekam man auch schon früher ohne Reservierung nur schwer einen Platz. Wie damals spazieren wir im Schatten der Palmen und entdecken viele Neuheiten: Große Sonnensegel überspannen jetzt einige Plätze komplett – praktisch vor allem im Hochsommer. An der neuen Poolanlage mit Wellnessbereich nehme ich mir schon mal vor, mir hier eine Massage zu gönnen.
Größer und moderner, doch mit familiärem Charme
Eine Abzweigung weiter liegt die neue Rezeption, mit der angrenzenden Pizzeria perfekter Dreh- und Angelpunkt des Platzgeschehens. Nur hundert Meter entfernt beginnt der zusätzlich angelegte Campingbereich. Dennoch hat Kiko Park nichts von seinem familiären Charme verloren, ist mit jetzt 180 Parzellen überschaubar geblieben. Im Liegestuhl vor dem Wohnwagen genieße ich die herrliche Wärme der spanischen Herbstsonne. „Papa!“, rufe ich demonstrativ laut, denn die neugierigen Blicke unserer Nachbarn sind mir nicht entgangen, „willst du deiner Tochter nicht Gesellschaft leisten?“. Nun sollte allen klar sein, wer der ältere Herr an meiner Seite ist. Natürlich müssen wir auch gleich noch ans Meer: Direkt hinter der begrünten Düne liegt der insgesamt acht Kilometer lange Sandstrand, ebenso schön wie damals. Bei angenehmen 30 Grad und sanften Wellenrauschen fühle ich mich wieder wie die 9-jährige Claudia, die gespannt darauf wartet, dass ihre spanische Kinderfreundin Maria zum Spielen ans Wasser kommt.
Valencia, Vanilleeis und Wassergericht
Beim Frühstück tags darauf blättert Papa interessiert im Reiseführer, schnell steht unser Ausflugsziel fest: Valencia, mit rund 700.000 Einwohnern Spaniens drittgrößte Metropole. Mit dem Auto sind wir in einer Stunde in der Altstadt. Mein Papa kennt sich immer noch gut aus: „Dort vorn ist der Plaza de la Virgen“, weiß er. Der Platz der Jungfrau ist bei den Valencianos ein beliebter Treffpunkt. Die über 700 Jahre alte Catedral de Santa María de Valencia vereint Romanik, Gotik und Barock, eigentlicher Star ist jedoch der allein stehende Glockenturm El Miguelete. Eine Wendel-treppe bringt uns nach 207 Stufen zum Aussichtspunkt in 50 Meter Höhe, wo der Blick über Altstadtdächer bis zur fünf Kilometer entfernten Küste reicht.
Ein paar Straßen weiter, auf dem Plaza de la Reina, kauft mir Papa im preisgekrönten Eiscafé Llinares zwei Kugeln meiner Lieblingssorte Vanille. Gut, dass sich manche Dinge nicht ändern. Zum Beispiel auch das „Wassergericht“, El Tribunal de las Aguas, ein Schauspiel jeden Donnerstag um 12 Uhr vor der Kathedrale. Schon als Kind faszinierten mich die Männer in den schwarzen Kutten. Jetzt stehen wir am gleichen Ort und warten auf die acht Richter, die über die Verteilung des Wassers entscheiden – eine tausend Jahre alte Tradition. Ich merke, wie Papa in der schaulustigen Menge meine Hand nimmt: „Damit du nicht verloren gehst.“ Weiter zum Mercado Central: Die 8000 m² große Jugendstil-Markthalle ist ein Fest für die Sinne – voller bunter Farben und Gerüche, Menschen und Stimmen. Die Gaumenfreuden reichen von Obst und Gemüse über Fisch bis hin zu Käse und Wurst aus ganz Spanien. Wir gönnen uns ein Glas Orxata de Xufes, süße Erdmandelmilch, die typische Erfrischung der Region.
Futuristische Freizeitoase im trockenen Flussbett
Im Südosten der Metropole liegt ihre jüngste Sehenswürdigkeit: Ciudad de las Artes y de las Ciencias, die Stadt der Künste und Wissenschaften, die seit 1998 jährlich Zehntausende Besucher aus aller Welt bestaunen – und wir heute erstmals. Von den Formen der Natur inspiriert, gestaltete der valencianische Stararchitekt Santiago Calatrava im trockengelegten Flussbett des Turia einen futuristischen Freizeitkomplex auf rund 350 000 m². Mit einem Ruderboot erkunden wir eines der großen Wasserbecken des modernen Viertels und verschaffen uns einen Überblick: Das Opernhaus Palau de les Arts Reina Sofía soll an einen Fisch erinnern – ich finde eher, es sieht aus wie ein dicker Dinosaurier. Auch der Bau Principe Felipe, ein Wissenschaftsmuseum für Kinder, gleicht einem versteinerten Urzeitreptil.
Der geschwungene Brückenträger der Puente del Azud de Oro soll mit 29 Stahlträgern wie eine Harfe wirken, für Papa sieht das eher aus „wie eine Halterung für Schinken“. Besonders beeindruckt uns das Planetarium L’Hemisfèric, geformt wie ein menschliches Auge. Im Schattenhaus L’Umbracle spazieren wir auf dem von weißen Bögen überdachten Freiluftgang durch einen Garten aus Palmen und Blumen, vorbei an modernen Skulpturen. Leider reicht ein Tag gar nicht, um die vielen Attraktionen der Ciudad zu entdecken. Das Oceanogràfic, Europas größter Unterwasserzoo, wird für unseren nächsten Valencia-Besuch fest eingeplant.
Sich als Erwachsene kennenlernen
Mit Bärenhunger kehren wir auf den Campingplatz zurück. „Soll ich was zu essen machen?“, fragt mein Vater. Ich schüttle lächelnd den Kopf: „Papa, ich bin schon groß. Heute koche ich für uns.“ Bei Spaghetti mit Tomatensauce stellen wir fest: Es ist eine Ewigkeit her, seit wir zuletzt so viel Zeit miteinander verbracht haben. Weit entfernt vom Alltag lernen wir uns hier als Erwachsene noch mal völlig neu kennen. Zwar schnarcht Papa immer noch, dafür übernimmt er dankenswerterweise – wie früher – das Entleeren der Campingtoilette. Und ich genieße es, mal wieder Kind sein zu dürfen. Wir sind immer noch ein prima Vater-Tochter-Gespann.
Papa ist mit Anfang 60 nach wie vor sportlich und ein begeisterter Wanderer – kein Wunder, dass wir heute an einer geführten Tour teilnehmen, die das Platz-Team anbietet. Mit Toni und Maria als Guides besteigen wir im Gebiet Vall de Gallinera den 720 Meter hohen La Foradada. Leicht steinige Wege schlängeln sich hier durch die mediterrane Berglandschaft. Toni führt uns zu Spuren aus der Zeit der Mauren im 14./15. Jahrhundert: Reste von Hauswänden und eine Wohnhöhle, in der noch der Ruß alter Feuerstellen zu erkennen ist. Von Panoramapunkten aus blicken wir über die vielen Plantagen der Costa del Azahar, der Küste der Orangenblüte. Nach zwei Stunden und fünf Kilometern sind wir am Gipfel und genießen im Schatten unsere Brotzeit: Marias selbst gemachte Empanadas, Blätterteigtaschen mit Spinat und Käse.
Zurück am Campingplatz wollen wir dringend duschen, der Ausflug hat uns ins Schwitzen gebracht. „Wie war doch gleich der Zugangscode?“, frage ich mich, denn das neue Sanitärhaus besitzt ein modernes Zahlenschloss. „1965“ weiß Papa sofort, „das Gründungsjahr des Campingplatzes“. Auf dem Rückweg grüße ich unsere Nachbarn Bill und Mary, die freundlich winken. Das englische Paar überwintert seit 15 Jahren auf dem ganzjährig geöffneten Platz, so wie viele Senioren aus Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden.
Paella direkt aus der Pfanne mit der ganzen Familie
Unser Urlaub neigt sich dem Ende zu, doch bevor es nach Hause geht, hat uns Pepe in sein Landhaus bei Oliva eingeladen. Paella, die valencianische Spezialität, wird traditionell am Wochenende gemeinsam gekocht: „Das ist das Herz unserer Kultur“, erklärt Maria, „wir kommen zusammen und feiern das Leben.“ Nach und nach treffen Freunde und Verwandte ein. Jeder sucht sich eine Aufgabe: Gemüse schnippeln, Bohnen schälen, Fleisch hacken. Währenddessen wird gelacht, gequatscht und gegessen. Picà, kleine Snacks aus Käse, Schinken und Oliven, stehen überall auf den Tischen. Alles schmeckt so gut, dass ich mich frage, wo die Paella noch Platz haben soll. Mit viel Hingabe beginnt Pepe unter freiem Himmel zu kochen.
Zunächst brät er das zerteilte Huhn und Kaninchen in Öl an und fügt Gemüse und Bohnen hinzu. Anschließend wird alles mit reichlich Brühe bedeckt. Zuletzt rührt er Reis und Safran unter. Noch eine Prise Salz, und dann heißt es warten, denn die Geheimzutat ist Zeit. Nach zwei Stunden ist die Paella fertig, die wir im Stehen direkt aus der großen Pfanne verspeisen. „Weißt du, warum wir mit Löffeln essen?“, fragt Toni. „Auf eine Gabel passt einfach nicht genug drauf“, sagt er lachend.
Zum Abschied werden wir von allen so herzlich umarmt, dass wir am liebsten gar nicht abreisen wollen. Wir sind dankbar für das schöne Wiedersehen und die vielen neuen Erinnerungen. Als wir fahren, sehen wir Pepe, Maria und Toni noch lange im Rückspiegel winken. Bis zu unserem nächsten gemeinsamen Urlaub werden wir jedenfalls nicht noch einmal 20 Jahre vergehen lassen. Denn das Papa-Tochter-Experiment ist mehr als geglückt.
Fotos: Gunnar Knechtel