Genuss: Camping in Valpolicella
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Gäste: 2
Erwachsene
Kinder
Alter der Kinder bei Abreise:
In den lessinischen Hügeln zwischen Gardasee und Verona liegt das Valpolicella. Berühmt ist es für seine edlen Rotweine – doch nicht nur diese allein lohnen einen Abstecher vom See in die Berge.
Es ist so schön“, stöhnt Natascia genüsslich und lässt die Beine vom Steg baumeln. In Peschiera, am Südostufer des Gardasees, haben wir uns einquartiert. Zwei Freundinnen, die wieder einmal mehr Zeit miteinander verbringen wollen, statt sich im hektischen Alltag zwischen Beruf und Familie nur schnell über WhatsApp auszutauschen. Im Bungalow am Campingplatz Bella Italia lassen wir es uns zwischen Pool, See und Tennisplatz gut gehen. Und nicht zuletzt im Restaurant im Corte – einer architektonischen Reminiszenz an das landwirtschaftliche Anwesen, das hier einst stand, ehe Francois Girard vor 70 Jahren einen Campingplatz schuf. Hierher kommt man nicht nur zum Essen. Auf dem Platz um den Brunnen trifft man sich. Kinder spielen. Man kommt ins Gespräch. Als wir erzählen, dass wir die Räder dabeihaben, empfiehlt Kellner Nicola: „Fahrt doch in meine Heimat – das Valpolicella. Es ist nur ein Katzensprung von hier Richtung Verona.“
Im Bann des mediterranen Flairs
Wir packen die Bikes ins Auto und fahren bis Sant Ambrogio. Von dort aus lassen wir uns treiben, radeln über San Pietro in Richtung Negrar. Kurz hinter Castelrotto folgen wir neugierig dem Schild zur Villa Giona…und entdecken eine Bilderbuchvilla aus dem 16. Jahrhundert mit Buchsbaumhecken, Springbrunnen und weitläufigem Park. Im Wirtschaftsgebäude des romantischen Hotels wird gerade eine Vinothek eingerichtet. Nach Anmeldung kann man schon jetzt die Köstlichkeiten aus den angrenzenden Weingärten probieren. Ab Sommer soll es einen Laden mit festen Öffnungszeiten geben. Etwa 40 Kilometer haben wir in den Beinen, als wir in Sant Ambrogio wieder ins Auto steigen und einen Abstecher in die Berge machen. Die Aussicht ist beeindruckend, selbst an einem diesigen Tag wie diesem. Noch einmal holen wir die Bikes aus dem Kofferraum, um ein Stück durch die Rebberge zu fahren. Vögel zwitschern, Eidechsen genießen die Wärme der Steinmauern. Jede anstrengende Kehre wird mit einem schönen Blick belohnt.
Dem Mysterium des großen Rotweins Amarone auf der Spur
Wir passieren so viele Weinberge und Hinweisschilder auf Weingüter, dass wir jetzt dem Mysterium des typischen Amarone auf die Spur kommen wollen. Das Dorf Negrar ist unser erstes Ziel. Die Cantina Valpolicella liegt gleich links hinter dem großen Kreisverkehr, in den sich Traktoren einfädeln, mit denen die Bauern ihre Weinberge bearbeiten. Steil ist es in vielen Lagen und schmal der Rasenstreifen zwischen den Rebstöcken.
Im Herbst stehen die Weinbauern an der Genossenschaftskellerei Schlange. Direkt nach der Lese, Ende September bis Anfang Oktober, werden die Trauben von den 230 Genossenschaftsmitgliedern hierher gebracht und – je nach Güte – an verschiedenen Stationen abgeladen: am einen Tor die kleinen, dickschaligen, sorgfältig auf flache Körbe in Weiß, Rot oder Orange gelegt. Am anderen die großen, saftigen, von denen ein stählerner Rüssel direkt vom Anhänger eine Qualitätsprobe nimmt. Aus den kleinen, dicken wird später der schwere, rote Amarone. Aus den anderen der leichte Valpolicella.
Wie das genau geht, sieht man oben, im kleinen Museum unter dem Dach. Hoch ist der Raum und luftig. Weit offen stehen die Fenster. Auf der einen Seite liegen schrumpelige Trauben in langen Stellagen. Auf der anderen hängen sie von der Decke. Von Weitem erinnern die sorgfältig an Fäden geknüpften Reben an Türvorhänge aus Perlenschnüren. „Picai“ sagt man im Dialekt zu dieser ebenso aufwendigen wie probaten Möglichkeit, die Trauben in den Speicher zu hängen und von allen Seiten gleichmäßig zu belüften. Meistens benutzte man Arielen – Bambusmatten, die Anfang der 50er-Jahre für die Seidenraupenproduktion verwendet wurden. In der Cantina wird integriert abgetrocknet: bei offenen Fenstern und mit frischer Luft.
Aber wozu der Aufwand mit den Trauben? Reicht es für einen guten Wein nicht, dass sie von den besten Rebhängen stammen? Nicht für Amarone. Der Star am italienischen Weinhimmel wird aus getrockneten Trauben und mit viel Zeit gekeltert. Der Geschmack ist überwältigend. Und doch nippen wir nur bei der obligatorischen Degustation. Für 17 Prozent Alkohol sollte man vorher ordentlich gegessen haben. Dafür kommt ein Kistchen in den Kofferraum. Und eine Flasche Öl dazu. Denn neben Wein gibt es auch ein paar uralte Olivenbäume in den Gärten der Genossenschaftsmitglieder.
Das Geheimnis der Pasta: Öl, Mehl, Muskelschmalz
Durch hügeliges Weinbaugebiet geht es hinauf nach Torbe. Unvermittelt stehen wir vor einer mächtigen Kirche. Vor der Enoteca gegenüber sitzen Männer auf dunklen Holzstühlen. Eine unscheinbare Tür daneben führt in die Trattoria Caprini. Noch ist es ruhig im ersten Stock. Bis auf ein unregelmäßiges, dumpfes Schlagen. „Das sind Nicola und Davide“, erklärt uns Sergio, der mit Mutter und Brüdern in vierter Generation das Lokal betreibt, das für seine handgemachten Pasta weit über das Valpolicella hinaus bekannt ist. Jeden Tag wird gerollt und gewalkt. Wer nicht nur gern isst, sondern auch wissen will, wie die dottergelben Köstlichkeiten gemacht werden, darf mitmachen. Jeden Montag gibt es einen Kurs.
Vier große Tische stehen im Raum. Einer mit Mehl bestäubter Marmorplatte, drei mit grün karierten Leinentüchern bedeckt. Das Geheimnis der Pastaherstellung ist in geschwungenen Buchstaben auf die Schürzen gestickt, die Sergio verteilt: Öl, Mehl und Muskelschmalz. Dann mal los. Schon vor einer Stunde haben die Brüder den Teig vorbereitet. Jetzt wird er auf dem kühlen Marmor gerollt. „Die Nudelhölzer hat schon unsere Großmutter benutzt“, erklärt Nicola stolz. Davide trägt die ausgewalkten Teigdecken zu den Tischen mit Tüchern, die den Nudeln beim Trocknen die Feuchtigkeit entziehen. Auf langen Holzbrettern werden schmale Tagliatelle und breite Lasagnette geschnitten. Es macht großen Spaß, die Teigwaren zuzubereiten, die Sergio einen prickelnden Aperitif später im Restaurant servieren wird. Egal, ob mit Tomaten, Hasensalami, Kaninchenragout oder klassischer Fleischsoße zubereitet – sie schmecken einfach köstlich.
Weiter nach San Giorgio
„Und jetzt nach San Giorgio“, schlägt Natascia vor. Kurz nach Torbe lichten sich die Weinberge, um Obstgärten Platz zu machen. Serpentine für Serpentine windet sich die Straße hinauf. In San Giorgio parken wir neben der Kirche, einem der bedeutendsten romanischen Bauten des Veneto, ihr ältester Teil stammt aus dem 7. Jahrhundert. In den Bögen des Kreuzgangs schimmert die Nachmittagssonne. Drin gibt es wunderbare Fresken, etwa vom Letzten Abendmahl. Vor der Kirche spielen Kinder. Die Mütter haben bei einem caffè in der Red one Art Bar einen Blick auf die Sprößlinge. Wir trinken einen Amarone.
Molinas andauernde Ruhe
Zum Finale fahren wir nach Molina. Je näher wir kommen, desto häufiger sind die Wiesen von Steinplatten eingegrenzt. Auch die Dächer sind mit Stein gedeckt. 72 Gesteinsschichten gibt es hier, jede hat eine besondere Eigenschaft. Die am wenigsten wertvolle wurde zu Zäunen. Dahinter grasen Ziegen unter Kirschbäumen. Eine der Attraktionen von Molina ist der Wasserfallpark. Ein riesiges Areal entlang einer Reihe von Kaskaden, die man auf unterschiedlichen Wegen entdecken kann. Überall gluckst und plätschert es. Man kann ans Wasser, ins Wasser und sogar hinter einen Wasservorhang. Natascia nimmt die Schaukel, mit der man direkt in den schwarzen Wasserfall hineinschwingen kann. Noch schöner aber sind die ruhigen Ecken und die Aussichtspunkte mit Blick auf schroffe Felsen und tiefe Wälder. Es ist eine Ruhe, die noch anhalten wird, wenn uns zu Hause längst der Alltag wieder hat.
Fotos: Rasmus Kaessmann